Die Technik Allrounder
Die Energiewende ist zweifellos eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Oft schwebt sie durch die Debatten wie ein Geisterwesen – stets präsent, aber schwer greifbar. Bei Koehler wird die Energiewende konkret: Am Hauptstandort im baden-württembergischen Oberkirch wird unter Leitung des Bereichs Zentrale Anlagentechnik von Koehler Innovation & Technology aus dem bisherigen Steinkohlekraftwerk ein umweltfreundlicheres Biomasseheizkraftwerk. Ein Besuch vor Ort.
Den Wetterbericht verfolgt Josef Hofer in diesen Tagen besonders aufmerksam: „Es darf am Samstag auf keinen Fall windig werden.“ Denn Hofer plant die Montage eines 63 Tonnen schweren Silodachs. Ein 45 Meter hoher Mobilkran muss das Dach mit einem Durchmesser von 23 Metern auf das Silo setzen, was aus Sicherheitsgründen nur bei Windstille geht. Josef Hofer ist Maschinenbautechniker. Er arbeitet bei Koehler Innovation & Technology am Firmenhauptsitz in Oberkirch im Bereich Zentrale Anlagentechnik. Unter Federführung des Bereichs baut die Koehler-Gruppe das Steinkohlekraftwerk, das die benachbarte Papierfabrik seit 1986 mit Strom und Dampf versorgt, derzeit zu einem umweltfreundlicheren Biomasseheizkraftwerk um. Dies ist ein Beitrag zur Nachhaltigkeitsstrategie der Koehler-Gruppe, die bis 2030 mehr grüne Energie erzeugen will, als sie für die Papierproduktion benötigt. Josef Hofer leitet den Umbau und behält zusammen mit Verfahrensingenieur und Bereichsleiter Michael Trautmann das große Ganze im Blick. An diesem sonnigen Märztag besuchen die beiden zusammen mit Hartmut Felsch, Werkleiter von Koehler Paper am Standort Oberkirch, die Großbaustelle, um sich einen Überblick über den Stand der Arbeiten zu verschaffen, die im Herbst 2024 abgeschlossen sein sollen. „Wir sind gut im Zeitplan“, freut sich Josef Hofer."
Wir sind gut im Zeitplan.
Wir sind gut im Zeitplan.
Projektleiter Umbau
Investition in die Zukunft
Den Umbau des Steinkohlekraftwerks lässt sich die Koehler-Gruppe rund 70 Millionen Euro kosten. Eine sinnvolle Investition in die Zukunft, findet Hartmut Felsch: „Der Bau eines neuen Kraftwerks wäre im Vergleich mehr als doppelt so teuer gewesen.“ Die für die Papierproduktion notwendige Energie wird künftig aus der Verbrennung von Hackschnitzeln, Landschaftspflegematerial und Sägerestholz gewonnen. Durch den Verbrennungsprozess entsteht Wärme, die für die Erzeugung von Dampf genutzt wird. Der wird dann an eine Turbine weitergeleitet, die einen Stromgenerator im Kraftwerk antreibt. „Einen Teil des Dampfes schleusen wir aus und bringen ihn zur Papierfabrik, wo er zur Trocknung der Papierbahnen genutzt wird“, erklärt Michael Trautmann. Dieses Prinzip nennt sich Kraft-Wärme-Kopplung.
Der Koehler-Gruppe ist es wichtig, die Biomasse aus der Region zu beziehen, um die Anfahrtswege kurz zu halten. Im Gegensatz zur Steinkohle ist Biomasse ein nachwachsender Rohstoff. Von der Umstellung auf erneuerbare Energiequellen verspricht sich die Koehler-Gruppe eine deutliche Reduzierung der CO2-Emissionen um mehr als 150.000 Tonnen pro Jahr am Standort Oberkirch. Dies trägt nicht nur zur Klimaneutralität des Unternehmens bei – bis 2030 will das Unternehmen mehr grüne Energie erzeugen, als es für die Papierproduktion benötigt –, sondern auch zur Klimabilanz Deutschlands. Und nicht zuletzt mache das neue Biomasseheizkraftwerk die Koehler-Gruppe in Krisenzeiten widerstandsfähiger, weil man – anders als etwa beim Gas – nicht auf Energielieferungen aus dem Ausland angewiesen sei."
Komplexes Projekt
Mit den Planungen, das Kraftwerk auf einen nachwachsenden Rohstoff umzustellen, hatte die Zentrale Anlagentechnik gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von Koehler Renewable Energy schon 2018 begonnen. „Es handelt sich um ein sehr komplexes Projekt“, sagt Bereichsleiter Michael Trautmann. Für den Umbau benötigt man eine Genehmigung nach Bundes-Immissionsschutzgesetz inklusive Bauantrag. Hierzu stand der Bereich im Austausch mit der Stadt Oberkirch und dem Regierungspräsidium Freiburg, um alle notwendigen rechtlich Grundlagen zu schaffen. Des Weiteren folgten Gespräche mit Architekten, Statikern und vielen weiteren Gewerken – mit Fokus auf Kesselumbau, Brennstofffzufuhr sowie alle notwendigen Infrastrukturmaßnahmen. Aktuell koordiniert das Team die Montagearbeiten und setzt die Anpassungen der Infrastruktur im bestehenden Kraftwerk um. Am Ende begleitet es dann auch die Inbetriebnahme bis zur Übergabe an den Betreiber. Unabhängig vom Energieträger ist die Funktionsweise von Kraftwerken im Prinzip immer ähnlich, betont Josef Hofer. Trotzdem sind verschiedene Umbaumaßnahmen nötig, um das Steinkohlekraftwerk an den neuen Brennstoff anzupassen. So bauen die Arbeiter derzeit zwei Materialannahmestellen für die Entladung der Lkw, vier Silos zur Lagerung der Biomasse und Förderbänder für den Weitertransport des Brennstoffs zum Kessel. Da das neue Kraftwerk 365 Tage im Jahr rund um die Uhr laufen werde, brauche man einen gewissen Vorrat an Brennstoff – beispielsweise für Feiertage, an denen kein Nachschub eintrifft. Im Juni wurde der entscheidende Schritt unternommen: der Umbau des Kessels. Das Baustellenteam brachte die neue Brennstoffzufuhr, durch die das Holz in den Kessel gefördert wird, im Kesselhaus an. Dabei steht das gesamte Heizkraftwerk still. Die Papierproduktion im benachbarten Werk lief derweil aber trotzdem weiter, erklärt Josef Hofer. „Der Dampf kommt dann aus der Kaltreserve, die praktisch als Ersatzkraftwerk fungiert.“
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in der Zentralen Anlagentechnik beschäftigt.
Geballtes Expertenwissen
Planung, Projektierung und Durchführung von technischen Projekten: Für all das sind die mehr als 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Zentrale Anlagentechnik verantwortlich. Die Aufgaben haben sich im Laufe der Jahrzehnte stark verändert, berichtet Bereichsleiter Michael Trautmann. „Ursprünglich war das ein technisches Büro mit einer Handvoll Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die noch selbst technische Zeichnungen erstellten und Konstruktionen durchführten.“ Bei mehr als 100 großen und kleinen Projekten im Jahr kommen weitere Aufgaben hinzu. Daher ist die Zentrale Anlagentechnik jetzt der Knotenpunkt, an dem die Informationen aller Projektbeteiligten zusammengeführt werden. „Unser Kern ist die Planungsabteilung mit rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, erzählt Trautmann. Diese gliedert sich in die Bereiche Mechanische Planung, Elektrotechnische Planung und Bauplanung. „Die weiteren Abteilungen kümmern sich um die Beschaffung von Dienstleistungen und technischen Anlagen sowie technische Artikel und Projektkomponenten. Ergänzt wird der Bereich um das Team Umwelt- und Anlagenkonzession, das sich um alle relevanten behördlichen und rechtlichen Anträge sowie Gutachten für die Umsetzung der Projekte kümmert.“ Damit verfügt die Zentrale Anlagentechnik über Fachleute in allen relevanten Fachbereichen und kann seinen internen Kunden ein Komplettpaket anbieten. Michael Trautmann erwartet, dass die Nachhaltigkeitsstrategie der Koehler-Gruppe dazu führen wird, dass ähnliche Projekte in Zukunft häufiger vorkommen: „Wir sind stolz, diese positive Entwicklung möglich zu machen und zu begleiten.“
Wir sind stolz, diese positive Entwicklung zu begleiten.
Wir sind stolz, diese positive Entwicklung zu begleiten.
Bereichsleiter Zentrale Anlagentechnik