Verantwortung weiter denken
1807 kaufte Otto Koehler die Oberkircher „Papiermühle im Loh“ und legte damit die Grundsteine für die Koehler-Gruppe. Die Wasserkraft markiert den Beginn unserer Erfolgsgeschichte vor über 215 Jahren, heute gewinnen wir unsere Energie aus vielerlei nachhaltigen Quellen. Dabei sind erneuerbare Energien längst zu unserem zweiten Standbein geworden. Ein Blick in die Zukunft der Koehler-Gruppe mit den Vorständen Kai Furler, Dr. Stefan Karrer und Frank Lendowski.
Die Papierindustrie gilt als äußerst energieintensiv. Woran liegt das?
Kai Furler — Vor allem am Trocknungsprozess der Papierbahn, der auf dem langen Weg von der flüssigen Emulsion bis zum fertigen Papier viel Energie benötigt. Stand heute haben wir einen Bedarf von rund 370.000 Megawattstunden Strom und 790.000 Megawattstunden Wärme an unseren Produktionsstandorten jedes Jahr. Viele Papierhersteller setzen daher auf eigene Anlagen, um Strom und Dampf zu erzeugen. Auf alten Aquarellen und Zeichnungen unseres Firmenstammsitzes in Oberkirch sind deshalb auch immer qualmende Schornsteine zu sehen – Umweltschutz spielte früher noch keine so große Rolle. Unter der Führung von meinem Vater und meinem Onkel wurde 1987 dann in Oberkirch ein Heizkraftwerk auf höchstem technischem Stand gebaut. Es verbrennt Steinkohle – mit weit weniger Rauchgasemissionen im Vergleich zu früher.
Die Koehler-Gruppe hat sich ehrgeizige Ziele in ihrer Klimastrategie gesetzt und bezeichnet sich damit als Vorreiterin in der Industrie. Heißt das, die energieintensive Papierindustrie ist ein Vorbild in puncto Transformationsprozess?
Kai Furler — Jedes Jahr verbrauchen wir Stand heute rund 62.000 Tonnen Steinkohle, die wir aus Südafrika und Kolumbien beziehen. Der Brennstoff ist fossilen Ursprungs und muss auch noch per Schiff um die halbe Welt transportiert werden. Dazu kommen CO2-Emissionen aus dem Verbrennungsvorgang von rund 150.000 Tonnen pro Jahr. Das ist nicht zukunftsfähig. Wir haben das schon früh erkannt. Im Grunde setzen wir schon seit unserer Gründung im Jahr 1807 mit der Nutzung von Wasserkraft auf erneuerbare Energie. Vor mehr als zehn Jahren habe ich dann entschieden, dass wir mit Koehler Renewable Energy in großem Umfang in die Erzeugung von erneuerbarer Energie einsteigen. Energie muss nachhaltig sein und darf nicht auf fossilen Brennstoffen basieren. Damals noch belächelt, zahlt sich das mittlerweile aus. Unser Geschäftsfeld mit der erneuerbaren Energie erwirtschaftete 2023 rund 120 Millionen Euro. Koehler Renewable Energy hilft uns dabei, unsere Klimastrategie umzusetzen und ist damit für uns auch ein Instrument, um unseren Transformationsprozess voranzutreiben. Manche halten uns für ziemlich ehrgeizig. Mit Sicherheit haben wir große Ziele, aber aus meiner Sicht ist das der Weg, um die Koehler-Gruppe langfristig erfolgreich an die neunte Generation übergeben zu können.
Bis 2030 wird Koehler seinen vollständigen Energiebedarf bilanziell aus erneuerbaren Quellen erzeugen – mit eigenen Anlagen.
Was heißt das im Detail? Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Dr. Stefan Karrer — Die Vereinten Nationen haben mit der Agenda 2030 Ziele für nachhaltige Entwicklung vorgegeben. Alle Mitglieder der UN, das sind 193 Länder weltweit, beteiligen sich an der Umsetzung dieser Ziele. Wir sind der Meinung, dass auch wir unseren Beitrag dazu leisten müssen. Die Nachhaltigkeitsstrategie 2030 der Koehler-Gruppe zeigt, wie wir wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte in Einklang bringen, um eine nachhaltigere Zukunft zu schaffen. In sechs Handlungsfeldern haben wir uns klare Ziele gesetzt, die wir erreichen wollen. Im Handlungsfeld „Visionär beim Klimaschutz“ haben wir mit einer eigenen Klimastrategie eine Roadmap festgelegt, die den Weg von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien weist. Bis 2030 wollen wir beispielsweise die fossilen Treibhausgasemissionen um 80 Prozent reduzieren und bis 2045 vollständig neutralisieren.
Energie muss nachhaltig sein und darf nicht auf fossilen Brennstoffen basieren.
Vorstandsvorsitzender
Kai Furler
Kai Furler wurde 1974 in Oberkirch geboren, ist verheiratet und hat drei Kinder. 1999 schloss er, nach Aufenthalten in London und Paris, an der Munich Business School sein Betriebswirtschaftsstudium ab und bereitete sich anschließend an verschiedenen internationalen Stationen auf seinen Eintritt in die Koehler-Gruppe vor. 2003 trat Kai Furler in das Unternehmen ein, wurde 2007 kaufmännischer Vorstand und 2011 Vorstandsvorsitzender. Er vertritt die achte Generation bei Koehler.
Wie erreichen Sie die Ziele Ihrer Klimastrategie? Werden Sie dazu grünen Strom am Markt einkaufen?
Dr. Stefan Karrer — Wir setzen in großem Umfang auf unsere eigenen Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energie. Dazu gehören schon heute eine Vielzahl an Biomassekraftwerken, Wasserkraftwerke und Windkraftanlagen. Zukünftig möchten wir außerdem in größerem Umfang erneuerbare Energie durch Solarkraft gewinnen. Ein weiterer großer Baustein zur Umsetzung unserer Klimastrategie ist die Dekarbonisierung unserer bestehenden Kraftwerke. Mit der Umstellung unseres Braunkohlestaubkraftwerks an unserem Standort in Greiz sind wir den ersten großen Schritt gegangen. Als Brennstoff setzt Koehler in Zukunft statt auf fossile Steinkohle auf Hackschnitzel, Grünschnitt und Sägerestholz. Der Vorteil von Biomasse ist neben der CO2-Neutralität auch die gute Verfügbarkeit. Zum Einsatz kommen nur naturbelassene Hölzer aus der Region, die am Ende ihrer stofflichen Nutzbarkeit stehen. Durch kurze Wege werden wir unseren CO2-Fußabdruck zusätzlich reduzieren.
Millionen Euro erwirtschaftete das Geschäftsfeld erneuerbare Energie im Jahr 2023.
Auch nach der kostenintensiven Dekarbonisierung Ihrer Kraftwerke bleibt bis 2045 ein Rest an fossilen Brennstoffen im Einsatz. Wie sieht hier die Zukunft aus?
Dr. Stefan Karrer — Bis zum Jahr 2045 wollen wir vollständig ohne fossile Brennstoffe auskommen, das heißt auch ohne Erdgas. Deshalb führen wir derzeit Machbarkeitsstudien durch, um das bisher in der Papierproduktion notwendige Erdgas durch nachhaltigen grünen Wasserstoff zu ersetzen. Dieser wird durch die Elektrolyse von Wasser mittels Strom aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt und gilt als Zukunftstechnologie in der Industrie. Wir sind zuversichtlich, zusammen mit unseren Partnern in naher Zukunft Lösungen zu entwickeln, die uns unserem Ziel für 2045 näherbringen.
Bis 2030 wollen wir fossile Treibhausgasemissionen um 80 Prozent reduzieren und bis 2045 vollständig neutralisieren.
Vorstand Technik
Dr. Stefan Karrer
Dr. Stefan Karrer wurde 1965 in Augsburg geboren, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Bevor er 2016 als technischer Vorstand zur Koehler-Gruppe kam, war er in verschiedenen Topmanagementpositionen in der Papierindustrie tätig, unter anderem als Geschäftsführer der Sappi Group Papierfabrik in Alfeld. Er ist Vorstandsmitglied in verschiedenen Fachausschüssen, unter anderem im deutschen Papierverband „Die Papierindustrie e. V.“. Dr. Karrer hat einen Doktortitel (Dr. techn.) von der Technischen Universität Graz (Österreich).
Ist nachhaltiges Handeln ausschließlich eine Unternehmensphilosophie bzw. eine Haltung, oder zahlt sich das auch finanziell aus?
Frank Lendowski — Als Familienunternehmen handeln wir nachhaltig, wir denken in Generationen. Darüber hinaus verfügen wir über eine überdurchschnittlich hohe Eigenkapitalquote und eine gesunde Finanzierungsstruktur. Das macht uns unabhängig in unseren Entscheidungen. Alleine in die Dekarbonisierung unseres Kraftwerkes in Oberkirch investieren wir mehr als 70 Millionen Euro. Denn der Markt verlangt von uns nachhaltige Produkte – und da gehört die Energie, mit der diese produziert werden, natürlich dazu. Schlussendlich wird von uns erwartet, was wir von unseren Lieferanten bezüglich der Scope-3-Emissionen ebenfalls einfordern. Langfristig zahlt sich die Großinvestition in den Umbau unseres Kraftwerks natürlich aus. Wir verstehen unsere nachhaltige Ausrichtung als Geschäftsmodell. Die Rahmenbedingungen, in denen wir uns bewegen, werden allerdings zunehmend unkalkulierbarer. Als Mittelstand brauchen wir Planbarkeit – vor allem bei Großinvestitionen, wie beispielsweise dem Umbau unseres Steinkohlekraftwerks.
Was bedeutet die nachhaltige Ausrichtung für die Koehler-Gruppe als Arbeitgeber?
Frank Lendowski — Zum einen ist unsere nachhaltige Ausrichtung notwendig, um die Zukunftsfähigkeit unseres Geschäftsmodells sicherzustellen. Als Familienunternehmen sind wir bestrebt ein gesundes Unternehmen an die kommende Generation zu übergeben. Zum anderen ist die nachhaltige Ausrichtung eine Voraussetzung dafür, als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Schon seit längerem werden wir in beinahe jedem Bewerbungsgespräch explizit auf diese angesprochen. Wir verstehen sie auch als Differenzierungsmerkmal, das uns auf dem Arbeitsmarkt vor allem für jüngere Generationen attraktiv macht.
Alleine in die Dekarbonisierung unseres Kraftwerkes in Oberkirch investieren wir mehr als 70 Millionen Euro.
Vorstand Finanzen & Verwaltung
Frank Lendowski
Frank Lendowski wurde 1960 in Dortmund geboren, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er kam im September 2010 zunächst als Finanzdirektor zur Koehler-Gruppe und übernahm Anfang 2011 als Vorstand den Bereich Finanzen & Verwaltung. Zuvor verantwortete er viele Jahre als kaufmännischer Geschäftsführer unter anderem die Bereiche Finanz- und Rechnungswesen, Controlling, Personalwesen und IT bei einem international tätigen Luxusküchenmöbelhersteller. Während seiner beruflichen Laufbahn war Frank Lendowski stets in Familienunternehmen tätig.